31. Sonntag im Jahreskreis B - 3. November
Jesus Christus wird nach dem obersten Gebot gefragt. Er stellt sich in die Tradition des Alten Testamentes und zitiert nun das Gebet der Juden aus dem Buch Deuteronomium.
„Höre Israel, der Herr, dein Gott, ist der einzige Herr!“ Und er erweitert dieses Gebot nun mit dem doppelten Liebesgebot:
Gottes- und Nächstenliebe als höchstes Gebot.
Das Wort in Deuteronomium – jenes Gebet, das die Juden täglich verrichten – vielleicht vergleichbar mit dem christlichen „Vater Unser“ – wurde in eine Zeit der Verwirrung gesagt. Da gab es die verschiedensten Götzenkulte, vor allem den Baalskult, den Kult eines selbstgemachten Fruchtbarkeitsgottes, der den Vorstellungen der Menschen eher entsprach als jener unbegreifliche und unfassbare Gott JHWH.
Wenn uns Jesus dieses Wort heute sagt, so sind wir aufgerufen, über unsere eigene Einstellung nachzudenken. Sind wir nicht in vielerlei Hinsicht Baals-Anbeter geworden?
Aus dem unfassbaren und unbegreiflichen Gott haben wir oft einen selbstgeschnitzten Hausgott gemacht, den wir auf das Bordbrett des Wandverbaus im Wohnzimmer stellen können. Einen Gott, der genau all jene Eigenschaften hat, die wir gerne an ihm sehen, und der genau jene Eigenschaften nicht hat, die uns in unserer Lebensführung hinterfragen würden.
Wir sind in gewisser Weise Baals-Anbeter geworden, wo wir zwar Sonntag für Sonntag das Bekenntnis zum Dreieinen Gott ablegen, gleichzeitig aber ihm das Vertrauen entziehen, wenn es um unsere Zukunft geht. Da gehen wir zu Pendlern, lassen Horoskope erstellen oder finden noch andere obskure Methoden, um irgendwie die Zukunft voraussagen zu können, anstatt auf unseren Herrn zu vertrauen, dass er das Richtige für uns bereitet.
Dabei lässt uns der Herr mit diesem Doppelgebot doch aufatmen – auch wenn es nicht ganz leicht zu erfüllen ist.
Es sind nicht mehr die 613 Gebote und Vorschriften des Alten Bundes, es ist nicht ein kompliziertes Gesetzeswerk mit Hintertürchen, Ausnahmen und unzähligen Paragrafen. Ein Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe, wo wir schon spüren, dass das eine das andere bedingt oder voraussetzt.
Papst Franziskus sagt in seiner neuen Enzyklika „Dilexit nos“ – „Er hat uns geliebt“ :
„Letztendlich kommt der Mensch dann voll und ganz zu seiner Identität, wenn im Herzen die Liebe regiert, denn jeder Mensch wurde vor allem für die Liebe geschaffen; er ist bis in seine tiefsten Fasern hinein dazu geschaffen, zu lieben und geliebt zu werden.“
Weil wir die unendliche Liebe Gottes erfahren dürfen, die uns Christus mit jeder Faser seines Leibes, mit jedem Atemzug seines Lebens erwiesen hat, soll unser Leben eine Antwort darauf sein. Wenn wir in unserem Mitmenschen, vor allem im leidenden Nächsten unseren Herrn Jesus Christus erkennen und lieben, wenn wir in rechter Weise handeln, ist Gottes- und Nächstenliebe in unserem Leben sichtbar.
Papst Franziskus schreibt in der Enzyklika:
„Dort, wo der Philosoph mit seinem Denken stehen bleibt, liebt das gläubige Herz, es betet an, bittet um Vergebung und erklärt sich bereit, an dem Platz zu dienen, den der Herr ihm anbietet, um ihm zu folgen. Dann erkennt es, dass es Gottes „Du“ ist und dass es ein „Ich“ sein kann, weil Gott ein „Du“ für es ist“
Bitten wir in dieser Heiligen Messe darum, wirklich Liebende zu werden. Und strahlen wir damit jene Liebe aus, die Gott uns schenkt.
Amen.