26. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr A - 1.10.2023
Mein Sohn, arbeite heute in meinem Weinberg! Er sagte "Ja, Herr!", ging aber nicht...
Leicht sind wir versucht, abfällig auf diesen missratenen Sohn herabzuschauen, der erstens seinen Vater belügt und zweitens auch noch mit Faulheit glänzt, weil er nicht bereit ist im Weinberg zu arbeiten
Leicht sind wir auch versucht, hier nur jene Angesprochenen, die Pharisäer und Schriftgelehrten, also die hervorstechenden Vertreter des damaligen Judentums als Schuldige zu sehen, als jene, die eben diesem Jesus Christus und seinem Auftrag nicht gefolgt sind.
Wir geraten aber auch leicht in die Versuchung, dieses Wort des Herrn anzuwenden, wenn es um den Priestermangel oder den Mangel an Berufungen allgemein geht. Wenige wollen im Weinberg arbeiten, so könnte unsere vorschnelle Antwort lauten.
Auch diese Interpretation der Herrenworte wäre viel zu kurz gegriffen.
Wie oft schauen wir fassungslos auf den Niedergang des Christentums im Allgemeinen, des Katholizismus im Besonderen hier in unserem Land oder in der alten Welt! Wie oft schauen wir fassungslos auf die Berufungskrise in Europa, während in Afrika und Asien die Priesterseminare überquellen. Wie oft suchen wir nach Lösungsmodellen und neuen pastoralen Wegen, um diesen Niedergang Herr zu werden, ohne aber wirklich einen durchschlagenden Erfolg zu erzielen.
Und - dies ist noch schwerwiegender - wie oft suchen wir die Schuld für den Niedergang gleich bei den anderen, in der schlechten medialen Präsenz der Kirche, in ihrem mehr und mehr abnehmenden Image, in so vielen äußeren Gründen - und vergessen dabei aber eines: Mit dem Sohn, der nicht in den Weinberg des Vaters geht, sind wir selbst, jeder einzelne von uns gemeint.
Denn einerseits wohnen wir im Haus des Vaters, gehören, von der Taufe an zu jener Gemeinschaft der Herausgerufenen, eben zur »ekklesia«, gehören zum Herrn, was das griechische Urwort für Kirche »kyriake« ja bedeutet.
Doch werden wir in unserem Leben diesem Ruf gerecht? Folgen wir wirklich der Aufforderung des Herrn und arbeiten in seinem Weinberg?
Alle Eltern versprechen in der Tauffeier ihrer Kinder, daß sie nach bestem Wissen und Gewissen ihre Kinder christlich erziehen wollen. Und dennoch finden wir immer Familien, wo es am Sonntag ein klares Konkurrenzprogramm zur Messe gibt. »Ich kann nicht zur Messe kommen, weil der Papa immer von 8 bis 10 Uhr den Tennisplatz bestellt hat« - »Ich kann nicht zur Erstkommunionvorbereitung kommen, weil die Mama heute Geburtstag feiert«
Letztlich verleugnen wir den Auftrag des Herrn an uns, grundgelegt in der eigenen Taufe, von den Eltern bei der Taufe ihrer Kinder wieder erneuert.
Auch das Sakrament der Ehe zeigt uns dies erneut. Jedes junge Brautpaar verspricht hier doch einerseits seine Bereitschaft, Verantwortung in Kirche und Gesellschaft zu übernehmen und andererseits, die Kinder im christlichen Glauben zu erziehen. Wo ist denn die Vorbildwirkung der Eltern für die Kinder, wenn diese nicht als Familie, gemeinsam ein Leben aus dem Glauben führen?
Er sagte "Ja, Herr!", ging aber nicht in den Weinberg
Ich möchte auch mich als Priester gar nicht ausnehmen. Mehr als 25 Jahre nach meiner Priesterweihe habe ich immer noch die Versprechensworte im Ohr, mein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes zu stellen, in den Dienst einzutreten für alle, die ein offenes Ohr und Herz, eine helfende Hand brauchen - ,...
Wie oft habe ich vielleicht doch meiner eigenen Bequemlichkeit stattgegeben, anstatt für Menschen da zu sein. Wie oft sind Menschen an mir irre geworden, weil mein Glaube, meine Verkündigung nicht mit meinem Sein und Tun als Christ übereinstimmte...
Er sagte "Ja Herr!", ging aber nicht in den Weinberg..
Suchen wir die Gründe für das Abnehmen der christlichen Kultur in unserem Land nicht irgendwo. Schon gar nicht in der "Überfremdung", wie ein Schlagwort so mancher politischer Parteien lautet.
Nicht die Fremden sind an der Zerstörung der christlichen Kultur schuld, sondern wir selber, wenn wir uns einem wahrhaft christlichen Leben immer mehr entfremden.
Suchen wir die Gründe nicht außerhalb sondern bei uns selbst. Wie oft wir "Ja" zum Herrn gesagt, aber "Nein" gedacht haben. Wie oft wir es verabsäumt haben, mit Mut und Kraft in seinen Weinberg einzutreten und alles uns mögliche zu tun, um unseren Mitmenschen, vor allem der nächsten Generation, den christlichen Glauben, die Gemeinschaft der Kirche wieder erstrebbar und erlebbar zu machen.
Erst wenn wir selbst wieder Geschmack am Weg des Herrn finden, können wir diese Botschaft der Freude weitergeben.
Ich will nicht alle diese dunklen Wolken, die ich habe aufziehen lassen, stehen lassen. Denn vieles in der Kirche von heute – auch in unserem Land – lässt mich hoffen. In meiner Arbeit im Priesterseminar erlebe ich zahlreiche junge Menschen, die mit Enthusiasmus und Eifer ihren Berufungsweg gehen. Und bei den Firmkandidaten, denen ich das Sakrament der Firmung spenden kann, finde ich oftmals ehrliches Bemühen, offene Fragen und die Bereitschaft, sich mit Glaube und Kirche gut auseinanderzusetzen. Nicht vergessen sollten wir all jene, die still in den Gemeinden arbeiten, oftmals unbedankt, im Schatten, im Hintergrund. Anlässlich der Verleihung der Stephanusorden im erzbischöflichen Palais in Wien vorgestern nachmittag ist mir dies wieder stark zu Bewusstsein gekommen.
Bitten wir den Herrn heute, hier und jetzt um den Mut, ihm ein ehrliches "Ja" mit allen Konsequenzen entgegenzurufen. "Ja Herr, ich möchte in Deinem Weinberg arbeiten" Mein Leben soll mit meiner Praxis als Christ übereinstimmen, mein Glaube soll nicht nur Lippenbekenntnis, sondern gelebtes Christentum und Zeugnis für Gottes lebensspendende Gegenwart sein!
Amen.