Christmette 2022
Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht. – Mit diesen verheißungsvollen Worten beginnt der kurze Text aus dem 9. Kapitel des Prophetenbuches Jesaja. Dieses Volk im Dunkeln sind auch wir heute, hier und jetzt in den konkreten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Ob es die wirkliche Dunkelheit ist, die sich leider über weite Teile des Kriegs-geplagten Volkes der Ukrainer zieht, ob es die Dunkelheit des Glaubens ist, die unsere westliche Gesellschaft fest im Griff hält, oder die Dunkelheit der Krankheit, des Schmerzes, des Zweifels an Gottes Güte und Gerechtigkeit. Wir können uns mit diesem Volk, das in der Finsternis ging oder geht, sehr gut identifizieren.
Und genau in all diese Dunkelheit unseres Lebens scheint ein helles Licht. Dort, wo Finsternis und Todesschatten uns bedrücken, ist das Licht, das aus der Krippe von Betlehem strahlt, der neue und einzige Hoffnungsschimmer unseres Lebens.
„Denn ein Kind wurde uns geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt. Die Herrschaft wurde auf seine Schulter gelegt.“ – Nicht mehr weltliche Machtgelüste und Karrieredenken der Mächtigen zählen. Die Untergangspropheten unserer Tage werden ebenso zum Schweigen gebracht wie jene, die uns Lügengeschichten von Geld und Erfolg auftischen. Denn bei all diesen bleibt am Ende nur Ratlosigkeit, Zerstörung und Tod. Doch er ist der Wunderbare Ratgeber, der starke Gott, der Fürst des Friedens.
Der Heilige Apostel Paulus findet im Brief an seinen Schüler Titus noch klarerer Worte: „Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten.“
Und er beschreibt auch, was Dunkelheit, Finsternis für uns bedeutet, wenn er erklärt, dass diese Gnade Gottes uns dazu erzieht, „uns von der Gottlosigkeit und den irdischen Begierden loszusagen und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt zu leben.“
All dies dürfen wir im Hinterkopf mitbedenken, wenn wir die Geschichte der Geburt Jesu aus dem Lukasevangelium hören. Eine Geschichte, die uns so vertraut ist wie kaum eine andere Stelle der Heiligen Schrift. All die Momente stehen uns klar vor Augen, von der Volkszählung über den Aufbruch Josefs und Mariens Richtung Bethlehem, von der Herbergssuche bis zum Wunder der Geburt des Gottessohns in der Armut eines Stalles. Und vor allem das Wort des Engels an die Hirten: „Fürchtet euch nicht … Heute ist euch der Retter geboren. Er ist der Christus, der Herr.“
Das „Fürchtet euch nicht“ wird uns in dieser Nacht ins Herz gesprochen. Legt alle Furcht und Angst ab, die euer Leben dunkel und unwirtlich macht. Die Zukunftsangst, die uns umfängt und uns schwer macht, an Gottes Vorsehung, an seine Güte, zu glauben. Die Menschenfurcht, die uns viel zu oft fragen lässt, was die anderen von uns oder über uns denken und reden, anstatt authentisch die eigene Überzeugung zu leben und zu vertreten. Jeder von uns kann wohl seine persönlichen Ängste, seine Verletzungen und Verwundungen hier hinzufügen. Aber der Retter ist geboren. Gott ist geboren als ein Kind im Stalle, heißt es in einem der schönen Weihnachtslieder. Nicht in den Palästen der Großen und Mächtigen, nicht in den Parlamenten der Regierungen, nicht durch die Bankkonten der Reichen und Einflussreichen wird unsere Zukunft bestimmt, sondern durch das kleine Kind, in Windeln gewickelt, in der Armut des Stalles.
Das Gloria haben wir gesungen und damit den Gesang der Engel an diesem ersten Weihnachten der Geschichte nachgeahmt. Dass unser Glaube, unser Leben, unsere Liebe ein solches Gloria für Gott sei, das wollen wir von dem kleinen Kind in der Krippe heute erbitten.
Amen.