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Allerseelen 2. November 2022

„Herr, gib ihnen die ewige Ruhe - und das ewige Licht leuchte ihnen“. So beten wir bei jedem Begräbnis. Wir sprechen die Worte des Scheidegebetes beim Gedenken unserer Verstorbenen. Und so manchem Hinterbliebenen ist am Grab seiner Lieben schon ein leises „Schlaf gut!“ über die Lippen geglitten. 

Wir können es drehen und wenden. Wir werden mit dem Phänomen des Todes nicht wirklich umgehen können. 

Es hilft uns in unserer Trauer wenig, wenn uns die Theologie sagt: „Durch die Sünde kam der Tod in die Welt“. Wir weigern uns - vieles in uns sträubt sich dagegen, unsere lieben Verstorbenen nur als die grossen Sünder zu sehen, die den Tod verdient haben. Im Gegenteil. Wir trauern um die Liebe, die unsere Mutter für uns gehabt hat, um die väterliche Hand, an der wir uns sicher fühlen konnten, vielleicht um die zärtliche Berührung des Ehepartners, der viel zu schnell aus dem Leben gerissen wurde. Wir trauern um ein gutes Wort der Mitschwester, des Mitbruders, das wir nun nicht mehr hören können, wir trauern darum, dass wir gerne noch so viel gesagt hätten, oder vielleicht nur ein einziges Wort: „Danke“ - und dass der Tod uns diese Möglichkeit genommen hat. 

„Herr, gib ihnen die ewige Ruhe“ - Damit meinen wir nicht einen Dämmerzustand, einen Seelenschlaf. Wir wünschen unseren lieben Verstorbenen, dass sie nun bei Gott „ausruhen“ können, wie es Augustinus in seinen Confessiones uns nahebringt: „Unruhig ist unser Herz, o Gott, bis es ruht in dir.“

Und als Christen stehen wir zwar menschlich gesehen ebenso machtlos dem Tod gegenüber wie Ungläubige. Wir werden ihm nicht entrinnen können. Wir werden es nicht schaffen, mit menschlicher Macht, mit all dem Wissen unserer Mediziner, ihn zu besiegen. Wir können ihn vielleicht hinauszögern, aber wir sehen ihn deutlich auf der Wartebank sitzen, bis seine Stunde kommt. 

Menschlich gesehen sind wir Christen ebenso machtlos wie Ungläubige. 

Friedrich Schiller hat dieses Mysterium des Todes in ein Gedicht gegossen: 

„Rasch tritt der Tod den Menschen an,
es ist ihm keine Frist gegeben,
es stürzt ihn mitten in die Bahn,
es reißt ihn fort vom vollen Leben.
Bereitet oder nicht, zu gehn,
er muß vor seinem Richter stehn.“

 

Gerade die letzten Zeilen sollten uns zu denken geben. „Bereitet oder nicht, zu gehen, er muß vor seinem Richter stehen“ - Sind wir bereitet? Sind wir vorbereitet, dass der Satz der Lesung auf uns zutrifft: „Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand“? Oder weiter in diesem Text aus dem Weisheitsbuch: „Alle, die auf ihn vertrauen, werden die Wahrheit erkennen. Und die Treuen werden bei ihm bleiben in Liebe“?

 

Als Christen dürfen wir auf unseren Herrn Jesus Christus schauen, der ganzer Mensch war, wie wir. Und der den Tod besiegt hat. Nicht mit menschlicher Kraft, sondern in der Macht Gottes. Auferstehung ist das Hoffnungswort angesichts des menschlichen Todes. 

Keiner soll zugrunde gehen. Das ist der tiefe und innige Wille unseres Vaters im Himmel. Jesus bezeugt dies in seinen Worten an seine Jünger. „Es ist der Wille meines Vaters, dass jeder, der den Sohn sieht und an ihn glaubt, das ewige Leben hat. 

Nicht das Grab ist unsere Zukunft, sondern das Leben bei und mit Gott. Und dieses Leben dürfen wir ersehnen, weil es von so anderer Qualität ist wie das menschliche Leben dieser Welt. Weil der Tod dort nicht mehr auf der Wartebank sitzt. Sondern weil unsere Zukunft „Ewigkeit“ heisst. 

Amen.